Arbeitsweise

Christiane Fleissner zeigt in ihren vielschichtigen Arbeiten das Übereinanderlegen von Zeit und Raum, von Stimmungen und Resultaten, die sie auf unterschiedliche Plexiglasscheiben teilweise als Foto direkt kaschiert oder dahinter legt. Die OberflĂ€chenbeschaffenheit weist mattierte FlĂ€chen und glĂ€nzende Partien auf – lĂ€sst VordergrĂŒndiges verschwimmen und „zoomt“ dahinter liegende Schichten ganz scharf heran. Fleissners „Ereignislandschaften“ lassen den Betrachter zu einem Reisenden durch Zeit und Raum werden: in alten Fabriklandschaften blĂ€ttert der Putz von den WĂ€nden und auf dem Boden haben sich tiefe PfĂŒtzen gebildet, darin spiegeln sich Fensterscheiben und TĂŒren – desselben Raumes, oder tut sich eine weitere Ebene auf, eine tiefer liegende, vergangene Schicht? Man ist sich nicht sicher, in welcher Zeitzone man sich befindet. Wie setzt die gelernte Bildhauerin die fotografischen Mittel ein – per Montage oder Doppelbelichtung?

Annika Schoemann

 

 

RAUM   ZEIT

STRUKTUR

Oenament I, 1998 (Detail)
Palma, 2009, (Detail)

Begonnen hat die materielle Auseinandersetzung meiner Arbeit mit dem Arrangieren von KontaktabzĂŒgen in unterschiedlichen zeitlichen Abfolgen. Alles im Hinblick auf grĂ¶ĂŸere Fotoarbeiten die wie Storyboards aus dem filmischen Bereich anmuten und es schaffen, teils ungewöhnliche ZusammenhĂ€nge herzustellen.
Zum Fixieren der KontaktabzĂŒge benutzte ich Scotchband, ein besonderer Tesafilm, der semitransparent und sehr bestĂ€ndig ist. Mit der Zeit wurde dieses Scotchband ein immer wichtigeres Element in meinen Arbeiten. Durch das Übereinanderkleben und Abdecken in mehreren Schichten kann ich verschiedene Fragmente in unterschiedlicher IntensitĂ€t aus der Fotografie heraus modellieren.
Auch gefÀllt mir das UnprÀtentiöse dieses Materials.

Tux 2014
o.T. (Skizze/Geitau), 2011 (Detail)

Im Zuge der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Zeit und Zeitschichten, habe ich begonnen meine Fotografien (abgelichtete Zeit) mit einem Skalpell zu zerschneiden.
Dadurch kann ich jeweils andere Wahrnehmungsschichten von einander separieren und in den Vorder- oder Hintergrund legen.
Zum Beispiel durch trennen von Vegetation und Gestein, Natur und Architektur oder zeitlich weiter zurĂŒckliegende Elemente und ganz Aktuelle.

Falling I, 2014
o.T. (Lanersbach), 2014

Die Cuts finden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten statt. Zum einen schneide ich Vorhandenes aus, oder ich zerteile die Fotografien nach ĂŒbergeordneten geometrischen Formen und arrangiere diese neu.

Abriss, (Mecklenburg I), 2012

Bald nach den AnfÀngen kam auch der Wunsch auf, die Schichten rÀumlich voneinander zu trennen.
Durch unterschiedlich dicke Acrylglasscheiben kam die dritte Dimension in meine Arbeiten und sie wurden zu Wandskulpturen.
Auch die Kanten spielen eine wichtige Rolle und werden entweder geschnitten belassen, poliert oder eingefÀrbt.

Abriss, (Mecklenburg IV), 2012
o.T. (Beton), 2013
o.T. (Beton), 2013

Eine zusĂ€tzliche Schicht bildet die behandelte OberflĂ€che der Acrylglasplatte. Mit feinem Schleifpapier angeschliffene FlĂ€chen legen einen leicht milchigen Schleier ĂŒber Teile des Bildes und verdichten sich von einem schrĂ€gen Betrachtungswinkel so, dass das Motiv fast völlig verschwindet. Die mit Klarlack behandelten Ausschnitte zoomen Teile des Bildes regelrecht heran, mit einer fast lupenartigen Wirkung. Manche Bereiche ĂŒberdecke ich ganz mit farbigem Lack. Das Grundmotiv wird, meist transparent, auf die RĂŒckseite der Platte gedruckt.

o.T. (Geitau) (2011)

Aus jeder Perspektive wirkt das Kunstwerk wieder völlig anders. Je nach Blickwinkel treten unterschiedliche Fragment in den Vorder- oder Hintergrund, teilweise verschwinden sie auch ganz.
Es entsteht ein Àhnlicher Eindruck wie der den man aus einem fahrenden Auto auf eine Landschaft gewinnt.

ab uno II, 2016, (Detail)

Durch zwei hintereinander montierte Acrylglasscheiben entstehen Arbeiten die in vier Bildschichten aufgebaut sind. Bei jeder Scheibe ist Vorder- und Rückseite bearbeitet.
Der Abstand zur Wand und zwischen den Scheiben kann variiert werden und spielt eine Rolle für die Bildwirkung, genauso wie die MaterialstĂ€rke der Platten.

Die Festung IV, 2015 (Modell)
Modell fĂŒr Glasskulptur (1998)

Die DreidimensionalitĂ€t der Wandarbeiten entsteht durch den mehrschichtigen Bildaufbau, den ich in Anlehnung an die Vorstellung von Zeitschichten entwickelt habe. Der Schritt zur frei im Raum stehenden Skulptur war fĂŒr mich nicht weit, beinhaltet dieser doch lediglich das „Aufklappen“ und Neuzusammenfügen von Schichten. Ähnlich wie sich in wenigen Schritten aus einem Band eine Schleife legen lĂ€sst.

Bei all diesen Überlegungen liegt fĂŒr mich immer die Fotografie, ein aus der Zeit genommenes Fragment der abgelichteten Wirklichkeit, zugrunde, und bedingt jeden Schritt meiner Umsetzung.